Negoro nuri – Lackwaren

Negoro-nuri 根来塗

Negoro-nuri 根来塗 wurde seit Ende des 12. bis Ende des 16. Jahrhunderts in der Stadt Iwade, Präfektur Wakayama, hergestellt. Der Ursprung soll im Gebiet des damals bedeutenden und großflächigen buddhistischen Tempels Negoro-ji oder Negoro-dera 根来寺 zu suchen sein, wo Lackhandwerker für die Verwendung im Tempel Geschirr für die Mahlzeiten der Mönche und Utensilien für religiöse Zeremonien herstellten.

Diese rotlackierten Lackwaren wurden wegen ihrer Haltbarkeit, ihrer Gebrauchstüchtigkeit und ihrer hohen Qualität für eine Vielzahl von Alltagsgeschirr und Ritualgeräten verwendet. Durch jahrelange Benutzung nimmt der Glanz der lackierten Oberflächen zu und durch die Abnutzung der oberen zinnoberroten Deckschichten zeigt sich der darunter liegende schwarze Lack an den Abriebstellen und verleiht damit den Lackwaren das unverwechselbare Farbmuster und die einzigartige Patina – Schönheit verursacht durch Gebrauch.

Ursprung in einem buddhistischen Tempelbezirk

Der Name dieser Lackware hat seinen Ursprung im Tempel Negoro-ji in der Stadt Iwade, Präfektur Wakayama. Er ist der Haupttempel des Shingi-Zweiges des esoterischen Shingon-Buddhismus und wurde 1130 gegründet. Dort besiedelten im sechzehnten Jahrhundert, auf dem Höhepunkt seines Einflusses, etwa 6000 Mönche dieses Gebiet. Sie lebten in circa achtzig Nebenklöstern und betreuten bis zu 2700 Untertempel und Schreine.

Da die buddhistische Philosophie verlangte, dass das Tempelleben und die religiösen Rituale auf einfache und zurückhaltende Weise durchgeführt wurden, wurden einfache rote Objekte ohne Schmuck als verheißungsvoll und geeignet angesehen, das tägliche Leben der Priester und Mönche praktisch und rituell zu begleiten.

Ab Ende des 12. Jahrhunderts wurde “negoro-nuri” von speziellen Lackhandwerkern hergestellt. Sie produzierten vor allem Alltagsutensilien wie Reis- und Suppenschüsseln, Werkzeuge. Diese wurden in den Schreinen und Tempeln sowie von Mitgliedern der Oberschicht verwendet.
Hideyoshi Toyotomi, ein wichtiger japanischer Feldherr und Politiker, der entscheidend zur Einigung Japans beitrug, zerstörte im März 1585 mit 100.000 Mann das Tempelgelände, brannte den Berg nieder und besiegte die 20.000 Kriegermönche von Negoro. Nur wenige Gebäude (Daito, Daishido) blieben unzerstört und bis heute erhalten. Die Produktion der Lackwaren wurde damit eingestellt bzw. verlagerte sich auch in andere Gebiete (Kuroe, “kishu-shikki“)

Das Farbpigment Zinnober, das meist für die rote Lackierung verwendet wurde, ist ein natürliches Mineral. Es war so wertvoll wie Gold, wurde schon vorher seit der Jomon-Zeit für Waren der Oberschicht verwendet.
Die Mönche des Negoro-ji benutzten dieses Pigment für die Beschichtung der roten Lackwaren bei buddhistischen Altarbeschlägen und rituellen Gegenständen, später auch für das alltägliche Geschirr und Küchenutensilien. Durch den fortwährenden Gebrauch nutzte sich die Deckschicht ab und die schwarze Lackschichte wurden sichtbar. Zusammen mit den einfachen Formen und den herausragenden Gebrauchseigenschaften wurde diese Patina letztendlich das bestimmende Merkmal dieser Gegenstände.

Einfluss bis in die Gegenwart

“Negoro-nuri” , wie die Lackwaren des Tempels nach ihrer Herkunft heute benannt werden, beeinflussten auch andere Lackproduzenten und -regionen wegen ihrer Haltbarkeit, Gebrauchsfähigkeit und Schönheit. Der natürliche Prozess der rot-schwarzen Patina durch Abnutzung wurde später aber oft auch bewusst durch Abschleifen der roten Lackschicht herbeigeführt.
Negoro-Objekte wurden durch ihre Nähe und Entsprechung zur Ästhetik des “wabi-sabi” (Schönheit der Unvollkommenheit und Zuneigung für das Alte, Gebrauchte) auch von Vertretern der japanischen Teekultur geschätzt, gesammelt und verwendet (u. a. für Behälter, Dosen, Tabletts).

Das unverwechselbare Aussehen und die einzigartigen Eigenschaften der negoro-Lackwaren werden bis heute von den Menschen in Japan geliebt – von der einfachen Haushaltware für die tägliche Verwendung bis zu artifiziellen Objekten von berühmten Lackmeistern. Zifferblätter von wertvollen Uhren, die Oberfläche von Schreibgeräten, Behältern (Smartphone-Hüllen z.B.) und Möbelstücke und die Lackierung auf Holz, Papier, Glas oder sogar Beton erweitern heute die Einsatzmöglichkeiten dieser Lacktechnik.

Negoro-nuri: Die raffinierte Schönheit des roten Lackes

Negoro-Lackwaren unterscheiden sich von anderen Lackprodukten und -techniken nicht nur durch ihre einfache, zurückgenommene Schönheit des Rot-Schwarz, sondern auch durch die benutzten Materialien und Technologien, die diese ermöglichen und zudem das Objekt robust, gut reparabel und äußerst haltbar machen.

Eine Patina des Gebrauches
Der Gebrauch erzeugt durch Abrieb der oberen roten Lackschicht eine Patina und verändert allmählich die Oberfläche. Bei regelmäßiger Benutzung offenbart sich der schwarzen Lack darunter und schafft ein sich ständig veränderndes Finish, auch der Glanz nimmt zu.
Der ständige Alterungsprozess ist integriert
Risse, Verschleiß, Beschädigungen, Risse, Texturierung und Unregelmäßigkeiten verbessern die Oberfläche eines negoro-Objektes. Diese natürliche Alterung ist verkörpert in der japanischen Ästhetik und der Überzeugung, dass die richtige und respektvolle Verwendung eines Objekts durch natürliche Alterung sein Aussehen und seinen Gebrauch verbessert.
Negoro-nuri – stabil und langlebig
Negoro-nuri entstand in einer turbulenten Zeit der japanischen Geschichte, es musste einfach zu benutzen, tragbar und unzerbrechlich sein. Deshalb verwendet negoro-nuri eine einzigartige Technik, die eine Flexibilität erzeugt, die gewöhnliche Lackwaren nicht besitzen. Sie sind langlebig, einfach zu reparieren und praktisch unverwüstlich. Negoro-nuri kann kochendem Wasser standhalten, es übersteht Stürze und starke Temperaturschwankungen.
Einfache minimalistische Formen
Die einfachen und minimalistischen Formen der negoro-Lackwaren verkörpern den Geist der japanischen Schönheitsideales, wurden aber in erster Linie als funktionale Objekte hergestellt. Sie sind frei von aufwendiger Dekoration und kunstvollen Verzierungstechniken.

Die Negoro-Technologie

Die Herstellung von Lackwaren in Negoro war so beschaffen, dass die Produktionsprozesse der “kijishi”, der Handwerker, die die Holzrohlinge herstellten, eng verbunden war mit den Prozessen des Lackieren durch die “nurishi“, den eigentlichen Lackhandwerkern. Deshalb konnten Waren unterschiedlicher Qualitätsstufen hergestellt werde für unterschiedliche Bedürfnisse der Verbraucher. Der Gesamte Herstellungsprozess durchlief dabei zahlreiche unterschiedliche Stufen und war sehr zeitaufwändig.

**Herstellung des Holzkernes “kiji-zukuri“**

Die Holzrohlinge für Utensilien und Möbel für die Tempel wurden meist aus flachen oder geschnitzten Stücken von keyaki槻, dem Holz der japanischen Zelkove – einem Baum aus der Familie der Ulmengewächse – gedrechselt oder zusammengebaut, da dieses Holz den Lack gut aufnimmt. Für einfache Artikel für den lokalen Gebrauch wurde auch Holz der Rosskastanie oder der Buche verwendet.

**Grundierung “Shitaji-zukuri” (Basisbeschichtung)**

Der Rohling wird mehrmals mit Grundierungslack versehen, teils gemischt mit Holzkohlepulver, kaki-Tannin und Leim, um eine gute Verbindung zwischen Holz und Lackschichten zu erzielen und die Poren des Holzes und die Maserung zu egalisieren.
Teile des Holzuntergrundes, die besonders beansprucht werden oder konstruktiv wichtig sind, werden mit Leinenstücken oder auch Japanpapier (washi) mit nori-urushi (Klebelack) beklebt und dadurch verstärkt. Dieser “nunokise” genannte Stoffbezug verstärkt diese Stellen, lässt aber den Lack flexibel.
Weitere Schichten werden aufgebracht, unraffinierter Lacksaft wird mit gebrannter gemahlener Kieselerde “jinoko” bzw. mit “tonoko” (Tonpulver) gemischt und mit einem Spatel aufgetragen, dadurch wird die Basis verstärkt, und das Textil überdeckt und geschliffen und geglättet.
Diese sehr gründliche und umfassende Bearbeitung des Holzrohlings durch mehrere Grundierungen und dem Textilauftrag sind die Voraussetzung für die besonders dicke Beschichtung, die die hervorragende Qualität dieser Lackware und ihre herausragenden Gebrauchseigenschaften erst möglich macht.

Lackierung “urushinuri”

Mehrere Schichten schwarzen Lackes bilden die Zwischenlackschichten, die zwischen der Grundierung und den Decklackschichten vermitteln. Diese werden ebenfalls nach dem Erhärten geschliffen.
Als Decklackschicht schließlich wird eine Schicht urushi, der mit Zinnober-Pigment (Vermilion) vermischt ist. aufgetragen. Dieser leuchtende rote Lack gibt letztlich negoro-nuri das typische Aussehen, verstärkt durch die natürliche Patina des abgeriebenen roten Lackes durch intensiven Gebrauch, der den schwarzen Grund unregelmäßig freilegt.
Der rote Japanlack wurde teils auch mit Eisenoxyd-Pimenten erzeugt. Spätere und aktuell hergestellte Lackwaren in dieser Technik schleifen und polieren die rote Deckschicht als letzten Arbeitsgang, sodaß die Paginierung künstlich erzeugt wird.

Varianten

„Negoro“ ist die traditionelle japanische Lacktechnik, bei der auf eine Grundierung mit “kuro-urushi” (Schwarzlack) eine Beschichtung mit “syu-urushi (Rotlack) erfolgt. „Akebono“ ist das Gegenteil: Schwarzer Lack wird über Rotlack aufgetragen. Bei beiden Varianten wird die Grundierung durch Gebrauch oder auch Schleifen und Polieren sichtbar.

Negoro-nuri oder Negoro? Begriffsklärung

Professor Sadamu Kawada (†), ein Ehrenmitglied des Nara National Museum und ehemaliges Mitglied des Expertenausschusses des Rates für den Schutz von Kulturgütern, stellte fest, dass beide Begriffe nicht gleichwertig anzuwenden sind. “Negoro-nuri” sollte verwendet werden, um historische Lackwaren zu beschreiben, die im Negoro-ji-Tempel hergestellt wurden, andere lackierte Dinge im “negoro”-Stil sollten aber nur “negoro” genannt werden (normalerweise werden Lackwaren nach ihrem Herstellungsbereich mit angehängter Bezeichnung “nuri” definiert).

Im Volkskunstmuseum von Iwade – in unmittelbarer Nähe zum Tempel gelegen -kann man u. a. Exponate und Dokumente zur Geschichte und Entwicklung von “negoro-nuri” sehen. Am Museum angesiedelt sind seit einigen Jahren auch Bestrebungen, die Produktion von “negoro”-Lackwaren nach alter Verfahrensweise wieder neu zu beleben.

Die Fotos wurden 2015 aufgenommen.

Externe Links

Negoroji, Iwade City, en., jap.

Negoro-ji Tempel Iwade, jp.

Ausstellung Negoro im Miho-Museum, jap. en.

Negoro-nuri. Die Schönheit des roten Lackes, Tokyo National Museum , dt., en., jap.

Wiederbelebung der roten Negoro-Lackware, gov-online.go.jp, Pdf.

Wiederbelebung der roten Negoro-Lackware, gov-online.go.en, Web-Version

Lit.:
Negoro: efflorescence of medieval Japanese lacquerware , edited by Tadashi Kawara, Miho Museum, jap. en., Katalog zur gleichnamigen Ausstellung Sept. – Dez. 2013, ISBN 978-4-907211-01-1 – C0072